Zur Situation des Russischunterrichts in Baden-Württemberg
Schulen und Schülerzahlen

Die Nachfrage am Russischunterricht ist in Baden-Württemberg seit Jahren relativ stabil, bewegt sich jedoch entsprechend des geringen Angebots auf einem niedrigen Niveau. Während an allgemeinbildenden Gymnasien etwa 1200 bis 1300 Schülerinnen und Schüler das Wahlfach belegt haben, lernen an den Waldorfschule deutlich mehr Schülerinnen und Schüler Russisch. Hier bewegt sich die Zahl zwischen 5800 und 5900 Lernern.
Fachberaterstellen
Ungeachtet wiederholter und mit Fakten gut belegter Warnungen des RLV BW hat sich die Situation der Fachberater/innen Russisch im Flächenland Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren dramatisch zugespitzt: Gab es bis zum Jahr 2004 in Baden-Württemberg noch sechs Fachberaterstellen (drei Stellen im RP Stuttgart und je eine Stelle in den RPen Karlsruhe, Tübingen und Freiburg), wurde die Anzahl der Stellen zunächst auf vier bis 2017 und dann auf zwei Stellen ab dem Schuljahr 2019/20 zurückgefahren. Dies ist umso problematischer, da die Aufgaben der Fachberaterinnen und Fachberater im Fach Russisch aufgrund diverser Spezifika des Faches Russisch deutlich umfangreicher sind als die in anderen Fächern. Eine Konsequenz dieser weder vom Kultusministerium noch von den Regierungspräsidien gestoppten Entwicklung ist, dass nicht wenige Aufgaben einer Fachberaterin bzw. eines Fachberaters "normalen" Russischlehrkräften übertragen werden, was in den RPen Karlsruhe, Tübingen und Freiburg zu einer unangemessenen Überlastung und Überforderung der Kolleginnen und Kollegen führt.
Was zur Qualitätsentwicklung und Stärkung des Russischunterrichts in Baden-Württemberg nötig ist
Das Fach Russisch steht in Baden-Württemberg nicht zuletzt aufgrund seiner kompetenten und hoch engagierten Lehrkräfte gut dar. Die Nachfrage in der Schülerschaft nach der slawischen Sprache ist trotz geringen Angebots stabil. Dennoch gibt es Anlass zur Sorge um die Qualitätssicherung und um den Fortbestand des Faches. Der Russischlehrerverband BW vertritt daher folgende Positionen:
- Die Reduzierung der Zahl der Fachberater/innen Russisch auf zwei Stellen gefährdet die Qualitätssicherung im Fach Russisch signifikant und stellt die RP-übergreifende Präsenz dieser Arbeit in Baden-Württemberg endgültig in Frage. Das Fach erfährt auf diese Weise momentan keine Stärkung, sondern eine massive Schwächung. In einem Flächenland wie Baden-Württemberg ist es erforderlich, dass jeder Regierungsbezirk über eine Mindestversorgung von einer Fachberaterstelle Russisch verfügt, wobei der Regierungsbezirk Stuttgart aufgrund der höheren Anzahl von Russischschulen mit mehr Stellen ausgestattet werden muss. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Fachberater/innen im Fach Russisch zusätzlich zu den bekannten Aufgaben durch weitere, für andere Unterrichtsfächer unübliche Tätigkeiten belastet sind (z.B. Entwicklung von Materialien für den Russischunterricht, ebenso für die Schwerpunktthemen im Abitur, Sonderprüfungen für Übersiedler, Betreuung/Beratung der zahlreichen Waldorfschulen mit Russisch und ihrer Russischlehrkräfte).
- Zurzeit hängt das Fortbestehen des Faches Russisch im Wesentlichen allein vom Interesse der Eltern und deren Kinder ab. Ob das Fach an Schulen unterrichtet wird, ist damit dem Zufall bzw. der momentanen Stimmung in der Bevölkerung unterworfen. Weder das Kultusministerium noch die Regierungspräsidien in Baden-Württemberg greifen in dieses freie Spiel ein. Sie sichern auch keine Russischstandorte. Andererseits wird in der Politik nicht bestritten, dass das Fach eine wichtige Rolle an deutschen Schulen spielt, da die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Russland eine hohe Bedeutung haben – gerade auch in Baden-Württemberg. Ebenso ist klar, dass das relativ geringe Angebot und die (demzufolge) relativ geringe Nachfrage nach Russisch an den Schulen nicht der Intensität der Zusammenarbeit mit Russland im öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich entspricht. Ein gesteuerter, maßvoller Ausbau des Faches ist somit wünschenswert und wird vom Russischlehrerverband BW ausdrücklich unterstützt. Dieser Ausbau muss jedoch durch die Politik umgesetzt werden – das alleinige Blicken auf das Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler an bestehenden Russischschulen kann hier keine Weiterentwicklung bringen. Dies gilt im Übrigen vermutlich für die meisten Bundesländer in Deutschland.
- Die Russischlehrerverbände halten es auch angesichts der sechs Millionen Russischsprecher/innen in Deutschland für richtig, das Angebot, Russisch an Schulen zu lernen, mittel- und langfristig in die Richtung zu entwickeln, dass es z.B. in jeder größeren Stadt eine Schule mit diesem Angebot gibt. Das Russischangebot sollte der veränderten gesellschaftlichen Realität in Deutschland entsprechen. Dies hat auch viel mit Chancengerechtigkeit für eingewanderte Herkunftssprecher/innen zu tun. In Landesteilen mit einem Russischangebot an weiterführenden Schulen gibt es für diese Bevölkerungsgruppe z.B. deutlich bessere Chancen, ein Abitur zu erwerben.